Der Weltschöpfungsmythos ist unter seinen Anfangsworten "Enuma elisch" überliefert, was soviel wie "Als da droben ..." heisst.

Dieser Mythos ist bisher erst ab der mittelbabylonischen Periode, ab ca. 1100 v. Chr., überliefert. Das Werk ist in sieben Tafeln zu jeweils 115-170 Zeilen gegliedert, hat also insgesamt über 1000 Zeilen. 

Marduks Aufstieg zum obersten Gott Babyloniens begann in altbabylonischer Zeit, also im 18. Jahrhundert. v. Chr. Fassungen aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. haben den Stoff weiter ausgearbeitet und die überragende Rolle Marduks hervorgehoben, der vom Stadtgott Babylons zum höchsten Gott des gesamten Alten Orients avancierte. 

Der Mythos wurde am vierten Tag des babylonischen Neujahrsfestes rezitiert. Er schildert die Auseinandersetzung zwischen kosmischer Ordnung und Chaos, dargestellt als Kampf zwischen Marduk und Tiamat, dem Meer. 

Tiamat bedroht zusammen mit schrecklichen Ungeheuern die Ordnung der Welt. Marduk soll bei einem Sieg über Tiamat als oberster Gott der Götterversammlung anerkannt werden. 

Ausgerüstet mit Pfeil, Bogen und Keule und unterstützt von den Winden, zieht Marduk gegen Tiamat. Auf sein Geheiss hin fährt ein böser Wind durch Tiamats Mund in ihren Körper, bläht ihren Leib auf, der dann durch einen Pfeil Marduks zur Explosion gebracht wird. 

Aus dem Körper der Tiamat formt Marduk die gesamte Welt. Er teilt den Leib der Getöteten in zwei Hälften. Aus der einen erschafft er den Himmel, an dem er den Standort der Sterne und den Lauf des Mondes bestimmt. Aus der anderen Hälfte formt er die Erde mit ihren Flüssen, insbesondere den Euphrat und den Tigris. 

 
Poetische Impressionen aus dem Enuma elisch  
Tafel I 

Erschaffung des Gottes Marduk 

When on high no name was given to heaven,
Nor below was the netherworld called by name,
Primeval Apsu was their progenitor,
And matrix-Tiamat was she who bore them all,
They were mingling their waters together,
No cane brake was intertwined nor thicket matted close.
When no gods at all had been brought forth,
None called by names, none destinies ordained,
Then were the gods formed within these (two).
...
In the cella of destinies, the abode of designs,
The most capable, the sage of the gods, the Lord was begotten,
In the midst of Apsu Marduk was formed,
In the midst of holy Apsu was Marduk formed!
 
Tafel II 

Tiamat rüstet zum Kampf 

Tiamat assembled her creatures,
Drew up for battle against the gods her brood.
Thereafter Tiamat, more than/against Apsu, was become an evildoer.
She informed Ea that she was ready for battle.
When Ea heard this,
He was struck dumb with horror and sat stock still.

Erst wird Ea gegen Tiamat ausgeschickt, der sie nicht bezwingen kann. Ebenso ergeht es Anu. Beide meinen zwar "My father, do not despair, send another to her, A woman's strength may be very great, but it cannot match a man's," doch schliesslich kehren sie angstgeschüttelt zurück. Dann wird der heldenhafte Marduk ausgesandt.

The mighty firstborn, champion of his father,
Hastener to battle, the warior Marduk
Did Ea summon to his secret place,
Told him his secret words.

 
Tafel III 

Die Götter feiern 

Marduk erhält die Oberherrschaft über alle Götter. Alle Götter kommen zusammen und feiern den Anlass.

All the great gods, ordainers of [destinies],
Came before Anshar and were filled with [joy].
One kissed the other in the assembly [...]

They conversed, sat down at a feast,
On produce of the field they fed, imbibed of the vine,
With sweet liquor they made their gullets run,
They felt good from drinking the beer.
Most carefree, their spirits rose,
To Marduk their champion they ordained destiny.

 
Tafel IV-VII 

Marduk als oberster Gott 

Marduk wird zum Götterkönig proklamiert. Er geht in die Schlacht gegen Tiamat und gewinnt. Er teilt sie in zwei Hälften wie ein Fisch zum Trocknen. Aus der einen Hälfte macht er den Himmel, aus der anderen einen Himmel parallel zum Untergrundwasser, zwischen beide setzt er das Grosse Band, das Himmel und Erde zusammenhält. Er erhält die Schicksalstafeln der Götter. Dadurch kann er ihnen Schicksale zuweisen, die sie nicht ändern können. Aus dem Anführer der aufrührerischen Götter erschafft er die Menschen, damit sie fortan für die Götter arbeiten.

Marduk ist nun der höchste der Götter. Seine 50 Namen werden genannt und erklärt. Deren Sinn ist folgender:

They must be grasped: the "first one" should reveal (them),
The wise and knowledgeable should ponder (them) together,
The master should repeat, and make the pupil understand.
The "sheperd"*, the "herdsman"* should pay attention,
He must not neglect the Enlil of the gods, Marduk,
So his land may prosper and he himself be safe.
His word is truth, what he says is not changed,
Not one god has annulled his utterance.
If he frowns, he will not relent,
If he is angry, no god can face his rage.
His heart is deep, his feelings all encompassing,
He before whom crime and sin must appear for judgement.
The revelation (of the names) which the "first one" discoursed
before him (Marduk),
He wrote down and preserved for the future to hear,
The word of Marduk who created the Igigi-gods,
... his name leth them invoke.
Let them sound abroad the song of Marduk,
How he defeated Tiamat and took kingship.

*Beinamen für Könige und Herrscher eines Landes.

 
  Quelle: Benjamin R. Foster, From Distant Days: Myths, Tales, and Poetry of Ancient Mesopotamia, Bethesda/Maryland 1995, S.11 ff.