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Natürlich
kannten auch die alten Mesopotamier den Beweis der Wahrheit mittels Gottesentscheid
oder Ordal. Bei einem Prozess bot er die Möglichkeit der Wahrheitsfindung,
wenn beide Parteien behaupteten, die Wahrheit gesagt zu haben. Das Ordal
wurde nicht oft angewendet, da man lieber auf Urkunden, sprich Keilschrifttafeln,
einfachen Eid und Zeugen vertraute.
Musste dennoch
auf einens Gottesentscheid zurückgegriffen werden, musste der Beklagte
beispielsweise ein Göttersymbol anfassen oder herumtragen. Wenn man
da nicht die Wahrheit gesagt hatte, strafte einen der Gott direkt. Wie
diese Strafe aussah, wissen wir nicht. Vielleicht hatte man schreckliche
Krankheiten zu gewärtigen oder gar den Schlag, der einen unvorbereitet
traf. Es muss jedenfalls furchteinflössend genug gewesen sein. Denn
viele Prozesse, die bis zu diesem Punkt geschildert werden, brechen hier
mit der Handlung ab.
Eine andere
Art des Unschuldsbeweises bestand darin, dass der oder die Beschuldigte
sich reinwaschen konnte, indem er oder sie in den Fluss stiegen. Wenn sie
nicht untergingen, war das der Beweis dafür, dass der Fluss
- in diesen Texten immer als Flussgott angesprochen - sie als Unschuldige
freigegeben hatte. Wenn sie untergingen, hatte der Flussgott sein Urteil
an ihnen vollzogen.
Zwei Straftaten
werden im Kodex Hammurabi gerne mit Flussordal geregelt: die Bezichtigung
der Hexerei und die des Ehebruchs verdächtige Frau. In beiden Fällen
waren es die Beschuldigten, die sich mittels Flussordal als unschuldig
erweisen mussten. Das kommt einem heute ein bisschen ungerecht vor, zumal
wenn man weiss, dass die Menschen jener Zeit nur selten schwimmen konnten.
Dadurch wurde so ein Ordal ein riskantes Unterfangen.
Ein Brief vom
18. Jahrhundert v. Chr. aus der Stadt Mari am Euphrat (heute in Syrien
gelegen) zeigt, wie ein solches Ordal vor sich ging. Dabei ist zu beachten,
dass die Frau, die in den Fluss steigen musste, wohl ihre Herrin der Hexerei
bezichtigte:
"Betreffs der Amat-sakkanim aus dem Hause des Schamschi-Adad,
die der Flussgott überwältigt hat, berichteten sie mir folgendes:
Wir liessen sie ins Wasser steigen (und
sagten zu ihr):
' Schwöre, dass deine Herrin keine Hexerei gegen Jarkab-Adad
betrieben hat, dass sie keine Palastgeheimnisse verraten oder eine andere
Person die Briefe ihrer Herrin geöffnet hat; dass deine Herrin sich
nicht gegen ihren Herrn vergangen hat. '
In Verbindung mit diesen (Eiden) liessen sie sie ins Wasser steigen. Der
Flussgott überwältigte sie, und sie kam nicht wieder (lebend)
nach oben."
Quelle: Archives
Royales de Mari Bd. 26, Nr. 249. |
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