Staatseid und Sanktionen

Stele des assyrischen Königs Adadnirari mit Göttersymbolen

Drakonisch geht es um die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. zu. Da werden in Babylonien ganz ausserordentlich grässliche Krankheiten und Verfluchungen auf den Übertreter eines Vertrages herabbeschworen.

Rechte an Ländereien wurden auf steinernen Stelen, Kudurru genannt, festgehalten. In diese Steine, die den Obelix'schen Hinkelsteinen nicht ganz unähnlich sind, ist der Vertragstext eingraviert. Um ihn vor Veränderung oder Vernichtung zu schützen sind gleichzeitig auch noch die Götter und Göttinnen oder ihre Symbole abgebildet, die in den Verfluchungen erwähnt werden. Denn am Ende des Textes folgt eine ganze Liste von Möglichkeiten, wie der Vertrag gebrochen oder die Stele zerstört werden kann. Dabei wird an alles gedacht, was so ein Verbrecher an Tricks und Finten sich auszudenken in der Lage war. Um das zu verhindern, werden die scheusslichsten Flüche auf ihn herabbeschworen. Unter anderem soll ein Gott wie die Vögel seinen Samen aufpicken, so dass er keine Nachkommen hat. Eine Heilsgöttin soll ihm eine nie heilende, schwärende Wunde schicken und dergleichen mehr.

In den sogenannten Vasallen-Verträgen des Asarhaddon (680-669 v. Chr.) siegelt der Gott Assur mehrere Verträge zwischen dem König Asarhaddon und verschiedenen Provinzgouverneuren und Vasallen. Sie werden darauf verpflichtet, als Nachfolger Asarhaddons die Brüder Assurbanipal in Assyrien und Schamasch-schum-ukin in Babylonien anzuerkennen. Falls sie das nicht tun, drohen ihnen drastische Konsequenzen für Leib und Leben, Land und Leute.

	Der Vertrag wird beschworen vor Jupiter, Venus, Saturn, Merkur, Mars und Sirius; vor den Gottheiten Assur, Anu, Enlil, Ea, Sin, Schamasch (und 11 anderen, darunter die Göttinnen Ischtar von Ninive und Ischtar von Arbela), allen Göttern im Himmel und auf der Erde, alle Götter der Länder Assyrien, Sumer und Akkad und allen übrigen Ländern.
	Der Eid wird beschworen bei den Göttern Assur, dem Vater der Götter, dem Herrn aller Länder, bei Anu, Enlil und Ea. (Es werden noch 13 einzelne Gottheiten und die Götter von 12 Städten und Ländern aufgelistet sowie die Götter aller - ungenannten - Länder.)
	Die Aufzählung der Verbrechen gegen Kronprinz umfasst über 350 Zeilen. Fast genauso umfangreich, über 250 Zeilen, sind dann auch die Fluchformeln lang, die gegen den Vertragsbrecher wirksam werden sollen. Hier ein paar von ihnen: "Ischtar, die Herrin der Schlacht, soll deinen Bogen in einer schweren Schlacht brechen, deine Arme festbinden und dich zu Füssen deines Feindes kriechen lassen. Gula, die grosse Ärztin, soll Krankheit und Müdigkeit in deinem Inneren, eine unheilbare Wunde an deinem Körper entstehen lassen, so dass du in deinem eigenen Blut badest wie in Wasser. Ischtar von Karkemisch soll eine schwere ... in deinem Inneren entstehen lassen, so dass dein Blut wie Regen auf den Boden fällt. Die grossen Götter des Himmels und der Erde ... sollen dich mit Ungnade anblicken..., sie sollen dich vertreiben von Schatten(plätzen) und Sonnenlicht, ... sie sollen dir Essen und Trinken entziehen, und Hunger, Mangel, Hungersnot und Pest werden dich nie verlassen. Hunde und Schweine sollen dich auf den Plätzen in Assur herumschleifen ..., die Erde solle deinen Körper nicht zur Beerdigung aufnehmen, (sondern) die Bäuche der Hunde und Schweine sollen deine Grabstätte sein! ... Teer und Pech sollen deine Nahrung sein, Eselsurin dein Trank ... Palil, der Herr ersten Ranges, soll Adler und Geier an eurem Fleisch nagen lassen! Ea, der König des Apsu, Herr der Quellen, soll euch Todeswasser zu trinken geben und euch an Wassersucht erkranken lassen! Alle grossen Götter, die in diesem Vertrag genannt sind, sollen eure Erde zur Grösse eines Ziegelsteins verkleinern! Schamasch soll alle eure Städte und Regionen mit einem eisernen Pflug umgraben! Ebenso wie die Jährlinge und Frühlingslämmer, männliche und weibliche, aufgeschnitten und ihre Innereien zu ihren Füssen ausgebreitet werden, so sollen auch eure Söhne und Töchter zu euren Füssen ausgebreitet werden! Ebenso wie Honig so süss soll das Blut eurer Frauen, eurer Söhne und Töchter in eurem Mund schmecken! Ebenso wie man eine Wachsfigur im Feuer verbrennt, eine Lehmfigur in Wasser auflöst, sollen sie (die Götter) eure Figur verbrennen, sie in Wasser untertauchen! Sie (die Götter) sollen euch wie eine Spinnwirtel spinnen, sie sollen euch missbrauchen wie Frauen angesichts des Feindes! Genau wie man die Hände und Füsse abhackt und die Augen blendet von denen, die sich versündigen gegen Gott oder einen Herrn, so sollen sie euer Ende herbeiführen...! Nabu, der die Schicksalstafeln der Götter in Händen hält, soll euren Namen auslöschen und eure Nachkommen aus dem Land verschwinden lassen!
	Eine englische Übersetzung findet man in: Erica Reiner, Akkadian Treaties from Syria and Assyria. The Vassal-Treaties of Esarhaddon , in: James B. Pritchard, Ancient Near Eastern Texts Relating to the Old Testament, 3rd edition, Princeton-New Jersey 1969, S. 534-541.