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Sie schrieben auf Ton
Reisen im Alten Orient
Ägypten liegt nicht in der Nähe - Diplomatie vor 3500 Jahren
Und es wurde Morgen... - Tageslauf im Alten Orient
"Ägypten liegt nicht in der Nähe" Wie verkehrte der Pharao mit seinen "Kollegen" im Vorderen Orient? Welchem diplomatischen Ritual mußten sich seine Gesandten unterziehen? 
Diplomatie vor 3500 Jahren Dank des Archivs, das in el-Amarna gefunden wurde, lassen sich diese Fragen erstaunlich genau beantworten
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PD Dr. Michael P. Streck
Mit freundlicher Genehmigung von DAMALS - Das aktuelle Magazin für Geschichte und Kultur
erschienen in Heft 10/2000 S. 28 - 34

 Angetan mit seinem prächtigsten Leinengewand und seinen besten Sandalen, folgten Haja, der ägyptische Gesandte, und acht schwer beladene ägyptische Sklaven dem königlichen Mundschenk über den Hof des babylonischen Palastes in Durkurigalzu. Am Abend vorher war Haja benachrichtigt worden, seine Majestät Burnaburiasch, König von Babylonien – drei Jahrtausende später würden Altorientalisten ihn den II. nennen und auf 1359-1333 v. Chr. datieren – wünsche ihn am nächsten Morgen pünktlich zur zweiten Doppelstunde nach Sonnenaufgang bei der Audienz zu empfangen. Zwei Wochen, seit er aus Ägypten mit seiner Karawane angekommen war, hatte Haja auf diesen Augenblick gewartet. Immer wieder hatte es geheißen, seine Majestät sei krank, weshalb die tägliche Audienz heute leider ausfalle. Haja hatte die Zeit genutzt und zusammen mit den Palastschreibern an seinem Babylonisch und an seinen Keilschriftkenntnissen, die er beide bereits in Achetaten in Ägypten erworben hatte, gefeilt, während die Sklaven auf seine und auf eigene Rechnung Geschäfte getrieben hatten: Gold, Elfenbein und Ebenholz aus Ägypten gegen Lapislazuli und Pferde. 
Nun war es also so weit. Durch eine kleine Tür, neben der links und rechts ein Leibwächter stand, traten sie vom Hof in den Vorsaal, in dem emsiges Treiben herrschte. Sklavinnen schöpften aus großen Krügen kühles Wasser in milchig-grüne Glasgefäße, dieser neuesten technologischen Errungenschaft des Zweistromlandes. Schreibergehilfen kneteten Ton zu Tafeln. In der Ecke wartete ein gerade eingetroffener Bote des Königs von Mittanni darauf, von Burnaburiasch gehört zu werden. Der Mundschenk, Haja und die Sklaven durchquerten den Vorraum und gelangten durch eine Tür an der gegenüberliegenden Seite in den mit prächtigen, bunten Wandgemälden verzierten Audienzsaal. Burnaburiasch saß auf seinem Thron, mit einem schlichten, weißen, kurzärmligen Gewand und einem weißen Fez bekleidet, umgeben vom Wesir, seinem Leibarzt und verschiedenen Würdenträgern seines Reiches sowie von mehreren Dienern, die die in den Sommermonaten schon früh am morgen aufsteigende Tageshitze durch rhytmisches Fächeln zu lindern suchten. Haja erkannte links vom König Salmu, der schon mehrfach als babylonischer Gesandter in Ägypten gewesen war. Der Mundschenk meldete den ägyptische Boten, worauf sich das Antlitz Burnaburiaschs verfinsterte und das gedämpfte Murmeln im Saal erstarb.  

Während die Sklaven mit ihrer Last ehrerbietig am Eingang stehen blieben, trat Haja einige Schritte vor, kniete nieder und berührte mit der Stirn den Boden, wie es das Hofzeremoniell erforderte. Auf ein Zeichen des Königs erhob sich Haja, räusperte sich und setzte in gutem, aber mit ägyptischem Akzent ausgesprochenen Babylonisch zur förmlichen Grußadresse an: „So spricht Napchurureja“ – wir kennen ihn heute besser als Amenophis IV./Echnaton, 1353-1335 v. Chr. – „der große König, der König von Ägypten, Dein Bruder: Mir geht es in jeder Hinsicht gut. Möge es Dir in jeder Hinsicht gut gehen. Deinem Haus, Deinen Frauen, Deinen Söhnen, Deinen Magnaten, Deinen Pferden, Deinen Wagen, allen Deinen Ländern möge es in jeder Hinsicht sehr gut gehen. Mir geht es in jeder Hinsicht gut. Meinem Haus, meinen Frauen, meinen Söhnen, meinen Magnaten, meinen Pferden, meinen zahlreichen Truppen, allen geht es gut, und meinen Ländern geht es in jeder Hinsicht sehr gut“. 
An dieser Stelle schnitt ihm jedoch Burnaburiasch, dessen Gesichtsausdruck sich noch immer nicht aufgehellt hatte, barsch das Wort ab: „Hat dein König nicht gehört, daß ich krank bin? Warum hat er sich nicht um mich gesorgt? Warum hat er keinen Boten kommen und mich besuchen lassen?“ Haja war verdutzt. Er hätte auflachen mögen, doch er zwang sich, ernst zu bleiben, und antwortete mit fester Stimme: „Ägypten liegt nicht in der Nähe, so daß mein König davon hätte hören und Eurer Majestät Genesungswünsche schicken können. Würde denn mein König, wenn er hören würde, daß Eure Majestät krank ist, keinen Boten senden?“ Burnaburiasch – offensichtlich immer noch schmerzgeplagt, denn er griff sich dauernd an die Magengegend – schüttelte den Kopf: „Für deinen König, einen mächtigen Herrscher, soll es tatsächlich weit entfernte und nah gelegene Länder geben?“ Haja blickte hilfesuchend um sich. Dann kam ihm die rettende Idee: „Eure Majestät mögen Ihren eigenen Gesandten fragen, ob Ägypten weit entfernt liegt und ob mein König deshalb nichts von Eurer Majestät gehört und Euch keinen Boten geschickt hat.“
Echnaton
um 1352-1338 v.Chr.

Seinen Namen Amen-
ophis (IV.), der den 
Namen des von ihm 
abgelehnten Gottes 
Amun enthielt, legte 
er ab.

Burnaburiasch leuchtete diese Antwort ein. Er wandte sich an Salmu, der es sichtlich genoss, plötzlich im Mittelpunkt zu stehen und vor dem ganzen Hofe seine geographischen Kenntnisse und Reiserfahrungen ausbreiten zu dürfen. Salmu skizzierte die übliche Karawanenroute zwischen Mesopotamien und Ägypten: den Euphrat aufwärts, an den Ruinen von Mari vorbei, dann scharf nach Südwesten abbiegend durch die syrische Wüstensteppe bis zur Oase Palmyra. Von dort entweder über eine nördliche Route nach Qatna und weiter bis ans Mittelmeer, von wo aus man zu Lande und zu Wasser nach Süden reisen konnte; oder, häufiger begangen, eine südlichere Route, die im mittelsyrischen Ackerland auf die von Aleppo über Hama nach Damaskus führende Straße stieß. In Palästina nannte man diese Straße, deren Endpunkt das Nildelta war, den „Horusweg“ der Pharaonen.  
Horus

Er war der Himmelsgott in Falkengestalt, seine Augen waren
die Sonne und der Mond. Aus dem Deltagebiet verbreitete 
sich der Kult bereits in vorgeschichtlicher Zeit in ganz Ägypten. 
Als Himmelsgott, der mit seinen Flügeln den Himmel 
überspannt, verband sich Horus/Harachte mit dem Sonnengott 
Re (hier als Schutzamulett des Tutanchamun). Auch konnte er 
verschiedene Gestalten annehmen, etwa die einer geflügelten 
Sonnenscheibe. Nach der Vereinigung Ägyptens zu einem 
Reich wurde die Vorstellung, der regierende König sei die 
Inkarnation des Horus, allgemein akzeptiertes Dogma und 
"Horus" Teil des jeweiligen königlichen Namens.
Der "Horusweg" zwischen Mesopotamien und Ägypten nimmt 
darauf Bezug. 
Es ist ein königlicher Weg - der Weg des Pharaos.

Mit Eseln oder Maultieren würde eine solche Reise drei lange Monate dauern! Jetzt, in den Sommermonaten, sei es zudem heiß, und über weite Strecken gebe es zu wenig Wasserstellen. Dabei seien die durch Überfälle von räuberischen Sutäern und diversen Lokalfürsten verursachten Aufenthalte noch gar nicht eingerechnet. Habe der König denn schon die Affäre seiner von den Leuten von Akko – im ägyptischen Hoheitsgebiet! – überfallenen Kaufleute vergessen? Ausgeplündert und getötet seien sie worden, nachdem sich der babylonische Gesandte Achutabu, mit dem sie zunächst zusammen gereist waren, von ihnen getrennt hatte, um nach Ägypten zu ziehen. 
Und ihm selber, Salmu, sei es trotz diplomatischer Immunität und einem Sendschreiben an die Fürsten von Kanaan, das ihm eine sichere Durchreise gewähren sollte, nicht viel besser gegangen. Zweimal sei er auf dem Wege nach Ägypten ausgeraubt worden! 
Burnaburiasch hörte Salmu interessiert zu und sein Gesicht entspannte sich. Jetzt blickte er schon milder auf die ägyptische Gesandtschaft. Er war begierig, die Geschenke zu sehen, die ihm sein „Bruder“ Echnaton hatte bringen lassen. Haja ließ einen Sklaven nach dem anderen vortreten und breitete vor dem  
Thron die Schätze aus: da waren ein Bett, eine Kopfstütze und zwei Stühle aus Ebenholz, mit Elfenbein und Gold überzogen;  Goldmesser, deren Griffe mit Granatäpfeln besetzt waren; Gewänder aus kostbarem Byssos-Leinen und solche aus roter Purpurwolle;  ein Paar silbener Sandalen; ein silbernes Affenweibchen mit seinem Jungen auf dem Schoß; Stein- und Elfenbeingefäße verschiedenster Größen mit kostbarem Öl, teilweise in Steinbockform; für den Harem goldene Armreife, Halsketten und  Ringe, Bronzespiegel und Dosen mit Augenschminke sowie Kämme aus Elfenbein. Hocherfreut war der König über das letzte Geschenk, das ihm überreicht wurde: 40 Minen (ca. 20 kg) Gold, von dem die Rede ging, daß es in Ägypten „so häufig wie Staub“ sei, und das er dringend für Restaurationsarbeiten in babylonischen Tempeln benötigte. Allerdings sollte sich diese Freude als verfrüht erweisen, worüber sich Burnaburiasch später in seinem Antwortschreiben an Echnaton ausließ: „Die frühere Sendung Gold, die mir mein Bruder gesandt hat, hat mein Bruder wohl nicht überprüft. Zahlreiche umliegende 
Regionen - so etwa im 
Süden Nubien, im Nord-
osten Syrien - waren 
Ägypten tributpflichtig.
In dem Grab des könig-
lichen Schreibers Userhêt
(15. Jahrhundert v. Chr.) 
werden ein Pferd und ein 
leichter Kriegswagen mit-
geführt.
 

Der Inhaber des 
Grabes, aus dem 
die Abbildungen 
links stammen, 
war Wesir und von 
Amts wegen für 
die Einziehung von 
Abgaben und 
Steuern aus den 
eroberten Gebieten
zuständig
(Amarna - Zeit)
Es war lediglich ein Beamter meines Bruders, der sie gesiegelt und mir gesandt hat. Als ich die 40 Minen Gold, die mir gebracht worden sind, in den Schmelzofen legte, kamen – ich schwöre es – nur zehn Minen heraus.“
Nachdem alle Geschenke überreicht und genügend bewundert worden waren, transportierte man sie in die Schatzkammer ab. Burnaburiasch räusperte sich, wandte sich an Haja und stellte fest: „Im Land deines Königs ist alles vorhanden und dein König braucht überhaupt nichts. Ebenso ist in meinem Land alles vorhanden und ich, für mein Teil, brauche ebenfalls überhaupt nichts. Wir haben jedoch von früheren Königen seit langem bestehende gute Beziehungen geerbt, weshalb wir uns gegenseitig Grüße senden sollten. Dieselben Beziehungen sollen auch zwischen uns herrschen.“ Haja nickte und Burnaburiasch fuhr fort: „Wie mir ja vorhin dargelegt worden ist, ist die Reise beschwerlich, das Wasser ist knapp, und es ist jetzt sehr heiß. Deshalb werde ich jetzt nicht viele Grußgeschenke bringen lassen. Ich werde deinem König vier Minen prächtigen Lapislazuli als Grußgeschenk senden. Zusätzlich werde ich deinem König fünf Pferdegespanne senden. Sobald das Wetter wieder besser wird, wird mein nächster Bote kommen und ich werde deinem König viele schöne Grußgeschenke senden“. „Dieses Schlitzohr“, dachte Haja, laut aber dankte er dem babylonischen König im Namen Echnatons für seine Großzügigkeit.
Die Audienz wurde unterbrochen. Der König zog sich in seine Privatgemächer zurück, um auszutreten. Die Sklaven aus dem Vorraum brachten zur Erfrischung kühles Wasser. Haja hatte Gelegenheit, mit dem mittannischen Boten, 
der immer noch im Vorraum wartete, den neuesten diplomatischen Klatsch auszutauschen. Man unterhielt sich in Babylonisch, der Diplomatensprache ganz Vorderasiens in jener Zeit. Wie gut waren doch die Beziehungen zwischen Ägypten und Mittanni noch vor kurzem gewesen! Als die Nachricht vom Tode des alten Pharao Amenophis III. (1391-1353 v. Chr.) in Waschschukkanni, der mittannischen Hauptstadt, eingetroffen war, hatte Tuschratta, der König von Mittanni, Trauer verordnet und einen ganzen Tag lang nichts gegessen noch getrunken!  
Tuschratta hatte an Teje, die trauernde Witwe, und ihren Sohn und Nachfolger auf dem ägyptischen Thron, Echnaton, geschrieben und seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, das gute Verhältnis zwischen beiden Staaten würde auch unter der neuen Regierung fortbestehen. Doch nun hatte der Statuetten–Skandal eine diplomatische Eiszeit heraufbeschworen. Massive Goldstatuetten von Tuschratta und seiner mit dem Pharao verheirateten Tochter Taducheba hatte seinerzeit Amenophis III. dem Tuschratta versprochen. Hatte er nicht sogar vollmundig gesagt: „Sprich nicht nur von Goldstatuetten. Ich will Dir auch noch solche geben, die aus Lapislazuli sind“? Vor den Augen der mittannischen Gesandten in Ägypten waren die Goldstatuetten gegossen worden! Und dann, als das scheinbar fürstliche Geschenk nach dem Regierungswechsel in Ägypten endlich in Waschschukkanni anlangte, hatte sich herausgestellt, daß die Statuetten statt aus massivem Gold lediglich aus einem mit Gold überzogenen Holzkern bestanden!  Teje - Königin in Ägypten

Über die Ehefrau von Amenophis III. 
ist mehr bekannt als über fast jede 
andere Königin der 18. Dynastie. So 
wissen wir, daß sie nicht königlicher 
Herkunft war, sondern die Tochter 
eines Provinznotabeln. Auch ist sie 
die erste Königin, die bereits zu 
Lebzeiten des Pharaos eine wichtige
Rolle spielte und regelmäßig neben 
ihm abgebildet wurde(rechts ein Relief-
fragment aus Theben, um 1364 v. Chr.).

Tuschratta hatte sich brüskiert gefühlt und Mane, den ägyptischen Chefdiplomaten in Mittanni, festgehalten. Echnaton hatte mit einem Hausarrest der mittannischen Botschafter in Achetaten geantwortet, was von Tuschratta jedoch lediglich mit einem Achselzucken kommentiert worden war: „Was sind Boten? Wenn sie nicht Vögel sind, können sie denn fliehen und verschwinden?“ Dennoch hatte er vorsichtshalber Kelija, seinen eigenen geschätzten Chefdiplomaten, nicht nach Ägypten entsandt, sondern ihn durch dessen leichter zu entbehrenden Onkel Masibadli ersetzt.
So unterhielten sich Haja und der mittannische Gesandte eine Weile. Als Burnaburiasch, sichtlich erleichtert, zurückkam, begab sich Haja wieder in den Thronsaal. Nun begann der schwierigere Teil der Audienz: die Heiratsverhandlungen. Beide Seiten wünschten eine Tochter des Verhandlungspartner ihrem Harem zuzugesellen, und beide Seiten trachteten die Fehler zu vermeiden, die die jeweiligen Vorgänger auf dem Thron, Kadaschmanenlil I. von Babylonien (1374-1360 v. Chr.) und Amenophis III., seinerzeit begangen hatten. Nur zu gut waren die diplomatischen Verwicklungen, die die Verheiratung der Schwester Kadaschmanenlils an Amenophis III. und der Tochter des letzteren an ersteren mit sich gebracht hatten, noch im Gedächtnis.  
Amenophis III.
1391-1352 v.Chr.

Der Sohn von Thutmosis IV.
erbte ein Reich, dessen Gren-
zen von Syrien bis in den 
Sudan reichten. Der Ideologie
zufolge war der Pharao der 
Herr der Welt. Auch wenn dies
übertrieben war, so waren die
internationalen Beziehungen 
dieser Zeit doch ungewöhnlich 
weit gespannt.

Kadaschmanenlil hatte Amenophis verdächtigt, seine Schwester sei in Ägypten an schlechter Behandlung gestorben. Keiner seiner Boten könne bezeugen, daß sie noch lebe: „Du fragst hier nach meiner Tochter zur Heirat, doch meine Schwester, die mein Vater Dir gab, befindet sich schon bei Dir. Doch niemand hat gesehen, ob sie noch lebt oder tot ist ... Vielleicht war die, die mein Bote sah, die Tochter eines armen Mannes oder eines Kaschkäers oder eines Chanigalbatäers oder vielleicht eine von Ugarit. Wer kann ihnen glauben? Sie machte ja den Mund nicht auf! ... Meine Töchter, die an benachbarte Könige verheiratet sind, wenn meine Boten dorthin kommen, sprechen sie mit ihnen, und sie lassen mir ein Grußgeschenk bringen“. Amenophis hatte diesen Vorwurf weit von sich gewiesen: „ Hast Du jemals einen Würdenträger von Dir geschickt, der Deine Schwester kennt, der mit ihr sprechen und sie identifizieren könnte? ... Die Männer, die Du gesandt hast, waren Nobodies. Niemand unter ihnen war da, der sie kennt oder der ein Vertrauter Deines Vaters war und der sie hätte identifizieren können ... Warum kannst Du mir nicht einen Deiner Würdenträger schicken, der Dir die Wahrheit erzählen kann, nämlich das Wohlergehen Deiner Schwester, die hier ist, und dann kannst Du dem glauben, der Ihre Quartiere betritt und ihre Beziehung zum König sieht? ... Selbst wenn Deine Schwester tot wäre, welchen Grund würde es geben, ihren Tod zu verheimlichen und eine andere zu präsentieren?“Umgekehrt war Amenophis von vorneherein abgeneigt gewesen, seine Tochter dem Babylonier zu überlassen: „Seit undenklichen Zeiten ist keine Tochter des Königs von Ägypten an jemanden gegeben worden.“ Die Argumentation mit der Tradition hatte Kadaschmanenlil jedoch nicht gleich akzeptieren wollen: „Warum nicht? 
Du bist ein König: Du tust, was Dir gefällt. Wenn Du eine Tochter geben würdest, wer würde etwas sagen?“.
Dennoch hatte er dem Ägypter ein Hintertürchen offen gelassen: „Es müssen doch schöne Frauen, die erwachsenen Töchter von Jemanden, da sein. Schicke mir eine schöne Frau, als ob sie Deine Tochter wäre. Wer würde sagen „Sie ist nicht eine Königstochter!“?“ Nein, diesmal sollte alles besser geregelt werden. Unter den zahlreichen Geschenken, die Haja mitgebracht hatte, war auch eine Goldstatuette der ägyptischen Prinzessin gewesen, so daß sich Burnaburiasch schon vorher ein Bild von ihr machen konnte. Ja , sie war wirklich sehr schön! Doch das war nicht das Wichtigste: bis aufs letzte Detail wurden die jeweiligen Mitgiften ausgehandelt. Und selbst den Transport seiner Tochter wollte Burnaburiasch nicht dem Zufall überlassen, weshalb er an Echnaton schrieb: „Wer soll sie zu Dir bringen? Haja hat nur fünf Wagen. Soll man sie etwa in nur fünf Wagen zu Dir transportieren? Wenn ich erlauben würde, daß sie unter solchen Umständen von meinem Haus zu Dir gebracht wird, würden die mir benachbarten Könige sagen „Sie haben die Tochter eines großen Königs in nur fünf Wagen nach Ägypten transportiert.“ ... Als mein Vater seine Tochter zu Deinem Vater bringen ließ, zogen 3000 Soldaten mit ... Was Haja, Deinen Magnaten, angeht, den Du zu mir gesandt hast, die Wagen und Soldaten bei ihm sind zu wenig. Schicke viele Wagen und Soldaten her, so daß Haja derjenige sein kann, der die Prinzessin zu Dir bringt! Sende keinen anderen Magnaten her! Die Prinzessin ... soll nicht länger bei mir aufgehalten werden! Schicke die Wagen und Soldaten, so daß man sie sofort transportieren kann! Wenn Du sogar noch dieses Jahr Wagen und Soldaten schicken willst, soll schnellstens ein Bote kommen und mich informieren!“
Nach zähen und erfolgreichen Verhandlungen ging Hajas Audienz bei Burnaburiasch zu Ende. Am Abend war Haja zu einem Bankett zu Ehren des ägyptischen Gesandten im Palast geladen, bei dem man noch manches Detail würde besprechen können. Doch schon jetzt zog man sich mit dem befriedigenden Gefühl, viel für die guten Beziehung zwischen Ägypten und Babylonien getan zu haben, zur Siesta zurück. 
 Die Hofschreiber hatten eifrig protokolliert und verfassten später in Keilschrift auf Tontafeln Briefe an Echnaton, in denen von der Audienz und den Verhandlungen anschaulich berichtet wurde. Einige Wochen oder Monate später trafen diese Briefe in der neugegründeten Hauptstadt Echnatons, Achetaten, ein und wurden von ägyptischen Schreibern, die des Babylonischen mächtig waren, verlesen. Danach wurden sie zusammen mit den Abschriften der Antworten des Pharaos an den babylonischen Herrscher im königlichen Archiv gelagert. 
Dort befanden sich ähnliche Korrespondenzen mit den Königen von Assyrien, Mittanni, dem Hethiterreich, Zypern, Byblos, Beirut, Tyros, Sidon, Jerusalem und zahlreichen kleineren Fürsten ganz Syriens und Palästinas. Nach dem Tode Echnatons verfiel Achetaten schnell und wurde zu einer Ruinenstätte. Etwa 3200 Jahre später, genauer im Herbst 1887 n. Chr., fand eine ägyptische Bäuerin 300 km südlich von Kairo am Ostufer des Nils an der Stelle des alten Achetatens, dem heutigen El-Amarna, bei Feldarbeiten die ersten Tafeln wieder; weitere kamen bei den folgenden Raubgrabungen zutage. Heute befinden sich die meisten dieser Tafeln im Voderasiatischen Museum in Berlin, im British Museum in London sowie im ägyptischen Museum in Kairo und gehören zu den prominentesten und meistgelesenen Dokumenten der modernen Altorientalistik. Dank dieser „Amarna-Korrespondenz“ können wir die internationale Diplomatie zwischen Vorderasien und Ägypten im 14. Jahrhundert v. Chr. anschaulich schildern. Wenn auch die Rahmenhandlung der Audienz Hajas beim babylonischen König erfunden ist, so stammen doch sämtliche Details einschließlich aller namentlich genannten Personen, der Wortwechsel zwischen dem (namentlich ungenannten) ägyptischen Gesandten und Burnaburiasch sowie die anderen wörtlich wiedergegebenen, hier leicht angepaßten Reden den Briefen Amenophis III. an Kadaschmanenlil I., Burnaburiaschs II. an Echnaton und Tuschrattas an Teje und Echnaton.
Die Amarna-
Korrespondenz

1887 fand eine Bäuerin im
heutigen el-Amarna bei Feld-
arbeiten die ersten Tafeln 
eines Archivs, das sich als die
diplomatische Korrespondenz
von Amenophis III. und 
Amenophis IV. herausstellen
sollte. Links die Kopie der 
Vorderseite eines Briefes von 
Burnaburiasch an den Pharao,
in dem er von der Audienz 
eines ägyptischen Gesandten 
berichtet.

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